Fangfrisch aus dem Würfel
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Fisch aus Aquakultur, vollautomatisiert gezüchtet, mit kaum nennenswerten Abwässern? Damit wirbt das Start-up Seawater Cubes. Langfristig will das Unternehmen die komplette Salzwasser-Fischzucht standardisieren und automatisieren.
Carolin Ackermann, Christian Steinbach und Kai Wagner essen gern und gesund, sind mit Vorliebe an der Küste im Urlaub. Und haben dabei festgestellt, dass für sie eine hohe Lebensqualität untrennbar mit frischen und unbehandelten Nahrungsmitteln aus dem Meer verbunden ist. Ein wenig von diesem Urlaubsgefühl wollten die Gründer in küstenferne Gegenden bringen: regional gezüchteter Meeresfisch. Das ist im Saarland nichts Unbekanntes: „Mit ausschlaggebend war, dass wir Forschungsarbeit für die Meeresfischzuchtanlage in Völklingen betrieben haben“, sagt Carolin Ackermann, verantwortlich für Marketing und PR. Die Gründer arbeiteten in der Großanlage, der ersten weltweit, die bis heute Meeresfisch an Land züchtet, als wissenschaftliche Mitarbeiter. „Man hat dort aber gesehen, dass immer nur Großanlagen und Massenproduktion nicht erfolgsversprechend sind. Deshalb kam uns die Idee, eine kleine Anlage zu machen.“ Klein heißt in diesem Falle, so groß wie drei Seefrachtcontainer.
SEAWATER Cubes heißen die Würfel, die das Team gemeinsam mit Mentor und Biologe Prof. Dr. Uwe Waller mit einer Fördersumme in Höhe von 800.000 Euro aus dem Exist-Forschungstransfer des Bundeswirtschaftsministeriums entwickelt hat. 21.000 Fische sollen bald an jedem Standort der SEAWATER Cubes heranwachsen. Für den Produzenten bedeutet das: 55 Fische pro Tag kann er für den Endkunden abfischen. Jeweils drei Container pro Standort wird das Paket enthalten, das Interessenten aus einem Katalog bestellen können. Pro Kubikmeter Wasser rechnen die drei Gründer mit etwa 50 Kilogramm Fisch, ein Becken umfasst 55 Kubikmeter, macht also 2.750 Kilo Fisch pro Becken. Verkauft werden soll der Fisch zu einem Kilopreis von 28,50 Euro. „Wir montieren alles vor, fahren die Container zum Kunden raus und setzen das System in Betrieb“, sagt Ackermann. Das vollautomatisierte System werde Investoren vorab erst einmal 250.000 Euro kosten, damit die Anlage in Betrieb geht. „Es dauert dann etwa sieben Jahre, bis sich das amortisiert“, erklärt Ackermann.
Zucht passt in drei umgebaute Seefrachtcontainer
Aufgrund der mittlerweile stagnierenden Fangerträge der Hochseefischerei gewinnen Aquakulturen immer mehr an Bedeutung. Laut den aktuellsten vorliegenden Zahlen der Welternährungsorganisation FAO aus dem Jahr 2016 stammen mittlerweile 47 Prozent der weltweiten Produktion von Meerestieren, inklusive Krebse und Muscheln, aus Aquakulturen – dies sind etwa 80 Millionen Tonnen jährlich. Die Zahl dürfte sich bis heute weiter deutlich erhöht haben. In Deutschland hat die Aquakultur – zum Beispiel im traditionellen Angelteich – eine vergleichsweise lange Tradition. Industriell spielt sie international aber kaum eine Rolle.
Der Nachteil vieler Aquakulturen: die Fäkalien der Tiere und Medikamente, die ohne Filterung die umliegenden Gewässer belasten. SEAWATER Cubes wirbt damit, 99 Prozent des in der Zucht verbrauchten Wassers durch ein ausgeklügeltes Filter- und Wiederverwertungssystem wiederverwenden zu können.
Ziel von SEAWATER Cubes ist es, die gesamte Salzwasser-Fischproduktion zu standardisieren und zu automatisieren. Daten wie der pH-Wert des Wassers oder die Temperatur sind auf einem Touch-Panel rasch einsehbar. Einen Pilotkunden, der zwei Anlagen kauft, hat sich das SEAWATER-Team inzwischen im Nordsaarland in St. Wendel geangelt. Später sollen Landwirte oder Unternehmer dazukommen, die in nachhaltigen Fisch investieren wollen. „Das ist eben keine Aldi-Ware, das ist auch nicht das Ziel. Wir wollen das Bewusstsein für hochwertigen Fisch steigern“, sagt Ackermann. Schließlich ist der Fisch aus den SEAWATER Cubes zumindest keinen negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Die Brutstätten der Fische, derzeit Wolfsbarsch und Dorade, liegen in Frankreich, von wo aus sie zu den Cubes geliefert werden. Dort wachsen die Jungfische, die erst zwei bis drei Gramm wiegen, dann auf – in einem geschlossenen System, das die Abfallstoffe aus dem Wasser filtert. „Das ist alles automatisiert, der künftige Betreiber hat keinen Arbeitsaufwand außer den Futterautomaten aufzufüllen, zu kontrollieren, ob es den Fischen gut geht und sie von Hand abzufischen“, erklärt Ackermann. Das Fischwissen ist quasi in der Software verbaut.
Eine Anlage soll jeweils 250.000 € kosten
Allerdings ist das Verhältnis von Futtermittel zum Gewicht des ausgewachsenen Fisches bei Wolfsbarschen nicht wirklich besonders gut. Denn Wolfsbarsche sind Raubfische. Ein Kilo Wolfsbarsch in Aquakulturen benötigt laut Angaben des WWF drei bis fünf Kilo Fischmehl und Fischöl. Die anfallenden Fäkalien könnten allerdings, so die Idee, von Landwirten auf Feldern als Biodünger verwendet oder in einer Biogasanlage energetisch verwertet werden.
Auch bei SEAWATER Cubes selbst soll es in Zukunft Fisch zu kaufen geben, etwa aus Testanlagen. Im Moment sind die Jungunternehmer in Gesprächen mit der Gastronomie. Die ersten Restaurants wollen Fisch aus SEAWATER Cubes anbieten – Frischfisch aus dem Würfel.