Salzwasserfisch aus Saarbrücken
KfW Stories
Zweifelhafte Bedingungen in Aquakulturnetzgehegen und lange Transportwege sorgen dafür, dass schon so manchem bewussten Konsumenten der Appetit auf Zuchtfisch vergangen ist. Doch eine nachhaltige Zucht von Salzwasserfischen ist überall möglich – auch im Binnenland. Das beweisen die Gründer von SEAWATER Cubes. In ihren modernen Anlagen mit Salzwasser wachsen die Tiere unter besten Voraussetzungen auf. Dafür wurde das Start-up mit dem Landessieg Saarland beim KfW Award Gründen ausgezeichnet.
Für frischen Fisch könnten die Menschen in Saarbrücken vier Stunden bis an die Küste fahren – oder mal eben schnell ums Eck. Denn unweit der Landeshauptstadt gibt es Delikatessen wie Wolfsbarsch und australischen Barramundi im Werksverkauf. Das Start-up SEAWATER Cubes hat am Stadtrand eine Aquakultur in recycelten Frachtcontainern aufgebaut. Sie macht die Aufzucht von Meeresfischen auch im Binnenland möglich und ist zudem ein Beispiel für faire und nachhaltige Produktion.
„Wie Urlaub am Meer riecht es hier“, sagen Besucher, die den online vorbestellten Fisch abholen. Es ist warm, die Luft leicht salzig, nur die Geräuschkulisse erinnert eher an einen Wasserfall als an Wellen. Carolin Ackermann führt die Anlage gerne vor: „In den Becken schwimmen 21.000 Tiere. Eingesetzt werden die aus einer Zucht in Frankreich stammenden Babyfische mit rund vier Gramm. Nach einem Jahr wiegen sie 400 Gramm, das ist eine ideale Tellergröße. Geschlachtet werden sie hier vor Ort.“
Vom Studium zur Gründung
Mitgründer Christian Steinbach und Kai Wagner, beide Anfang 30, betreuten schon während und auch nach ihrem Studium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes im Labor Aquakultur von Mentor Prof Dr. Uwe Waller eine Salzwasserkreislaufanlage für die Fischzucht. Damals investierte die Stadt eine beachtliche Summe in das Großprojekt und arbeitete mit der Hochschule zusammen. Doch das Vorhaben schlitterte in die Insolvenz, und nachdem ein Käufer gefunden war, kündigte er die Kooperation. Die beiden Wissenschaftler wurden arbeitslos.
Ihre gesammelten Erfahrungen sollten nicht umsonst sein. So reifte die Idee, eine kompakte Anlage zu entwickeln, die serienfähig und damit skalierbar ist. Und die sich auch für Landwirte auf der Suche nach einer alternativen Einkommensquelle eignet. Für ihr Vorhaben beantragten sie die EXIST-Förderung der Bundesregierung. Dank der Vermittlung ihres BWL Mentors Prof. Dr. Frank Hälsig kam Carolin Ackermann als Teammitglied mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund dazu. Sie wollte schon immer ein Unternehmen gründen, „und wenn man Ingenieure und BWLer in einen Topf schmeißt, kommen gute Sachen dabei heraus“, erzählt sie lachend.
Zwei Jahre dauerte der Aufbau des Start-ups, das auch von Business Angels und der Saarländischen Wagnisfinanzierungsgesellschaft mbH gefördert wurde. Parallel zum Bau der ersten Anlage erfolgte die Ausgründung als GmbH, ein Jahr nach Inbetriebnahme startete der Verkauf der Fische.
Ausgeklügelte Technik
Es gibt nur wenige Wettbewerber, und die meisten konzentrieren sich auf Süßwasserfische, weil das Wasser dafür aus der Leitung kommt. Wer Wolfsbarsch oder den exotischen und sehr schmackhaften Barramundi züchten möchte, muss mehr Aufwand betreiben. Das Wasser ist mit einer Mineralmischung, die dem Meer nachempfunden ist, aufgesalzen, und von diesem Wasser soll möglichst wenig verloren gehen. Aus diesem Grund wird es permanent wiederaufbereitet.
Carolin Ackermann erläutert das Verfahren: „55.000 Liter Wasser sind im Becken, die Fische sorgen zusätzlich zur Pumpe durch ihre Bewegungen für eine gute Strömung. In einem Sieb sammeln sich ihre Ausscheidungen und Futterreste. Die biologischen Filter verarbeiten das Ammonium im Urin der Tiere. Bakterien wandeln es in Nitrat und dann in unschädlichen Stickstoff um, der in die Luft entweicht. In einer Stunde wird das Wasser dreimal komplett durchgespült. Wir recyceln 99 Prozent, und nur 500 Liter Wasser müssen täglich nachgefüllt werden.“
Durchschnittlich eine Stunde pro Tag reicht aus, um die vollautomatische Anlage zu bedienen. Per Fernwartung kann sie sogar aus dem Homeoffice gesteuert werden. Durch die modulare Bauweise ist eine Erweiterung leicht möglich.
Antibiotika sind tabu
Die Fische erhalten proteinhaltiges Futter, das aus Reststoffen der Lebensmittelproduktion und Pflanzen wie Erbsen oder Weizen besteht. Antibiotika oder andere Medikamente – wie in vielen der ökologisch bedenklichen Aquakulturen im Meer – sind hier tabu.
Drei verschiedene Altersgruppen wachsen in den unterteilten Becken auf. Dadurch steht nach der Anlaufphase immer eine ausreichende Anzahl an marktreifen Fischen zur Verfügung. Die erzeugten Mengen orientieren sich an der Nachfrage. Sie werden regional vertrieben, inzwischen ist SEAWATER weithin bekannt für gute Ware. Den Gründern ist der Kontakt zu den Endverbrauchern wichtig. Ihre Kundinnen und Kunden sollen wissen, wie die Fische aufwachsen, die sie kaufen.
Herausforderungen im Vertrieb
Als Käufer der Anlagen hatte das Unternehmen zunächst Landwirte im Blick. Die hatten viele Fragen, angefangen von den erforderlichen Genehmigungen – die in jedem Bundesland anders sind – bis zum Marketingkonzept für den Verkauf der Produkte. Verständlicherweise ist diese Zielgruppe wenig risikofreudig, weil oft ihre ganze Existenz vom Erfolg abhängt. Andererseits verfügt sie über geeignete Standorte, Personal und Erfahrung mit Tieren. Um den Einstieg zu erleichtern, plant SEAWATER Cubes daher ein Franchisemodell. Ein Schulungskonzept ist bereits entwickelt.
Weitere Adressaten sind Unternehmen, die Urban-Farming-Projekte oder eine städtische Nahversorgung aufbauen möchten, sowie Investoren, die sich für nachhaltige Lebensmittelproduktion einsetzen. Dazu muss das Start-up weitere Referenzen sammeln. Drei neue Standorte sollen noch 2021 dazukommen, um die Marktreife zu beweisen. Gleichzeitig ist geplant, die Anlage in Saarbrücken auszuweiten. Für die Finanzierung wollen die Gründer neue Wege gehen und starten im Februar 2021 eine Crowdinvesting-Kampagne.
Dass SEAWATER Cubes den KfW Award Gründen gewonnen hat, hilft natürlich zusätzlich, bekannter zu werden und die Pläne umzusetzen. Ein Ziel lässt sich jedoch nicht in Zahlen messen: „Viele Menschen wissen nicht, wie viel Arbeit es macht, gute Lebensmittel herzustellen. Wir möchten dazu beitragen, dass es mehr Wertschätzung gibt. Vor allem für die Tiere, die auf unserem Teller landen. Unsere Generation kann das ändern, und das muss sie auch!“, sagt Carolin Ackermann.
Interessiert an regionaler und nachhaltiger Aquakultur?
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