Bakterien und aktive Biofilme
Bakterien sind in der Natur an Diversität kaum zu übertreffen. Sie sind jedoch so klein, dass wir sie mit unseren Augen nicht erkennen können. Als unsichtbare Krankheitserreger sind sie uns Menschen sehr suspekt. Dass sie auf der Haut und im Darm für den Erhalt unserer Gesundheit nötig sind, hat uns erst die moderne Molekularbiologie gezeigt. Und auch in der Lebensmittelproduktion und ‑verarbeitung sind Bakterien nicht wegzudenken. Bestimmte Arten werden seit langem für die Herstellung von Lebensmitteln wie Käse, Sauerteigbrot und Sauerkraut genutzt. Doch welche Rolle spielen Bakterien in der Fischzucht, insbesondere in geschlossenen Aquakultursystemen?
Bakterien in der Aquakultur
Bakterien können sich nur vermehren, wenn sie Nahrung bekommen. Da ihre Nahrung oft unbedeutende Reststoffe sind, fällt das wenig auf: Reststoffe verschwinden, dafür bleibt ein Häufchen Bakterien. In der Aquakultur verwerten Bakterien zum Beispiel Futterreste. Hauptsächlich leben sie jedoch in und von den Ausscheidungen der Fische. Wie in der Natur „remineralisieren“ sie die zum Teil giftigen Ausscheidungen der Tiere, indem sie ursprünglich organische Futterbestandteile soweit zerlegen, dass letztlich nur CO2, H2O und verschiedene anorganische Stoffe (Phosphat, Ammonium, Nitrat, Luftstickstoff) übrigbleiben. In unserem Beitrag Nitrifikation und Denitrifikation haben wir diesen Abbauprozess näher erläutert.
Risiken durch Bakterien
Neben dem unverzichtbaren Beitrag der Bakterien zur Wasserreinigung ergeben sich in geschlossenen Systemen aber auch Risiken:
- Wenn die Bakterien Nahrung erhalten, vermehren sie sich. Ab einer bestimmten Anzahl in einem Volumen Wasser nehmen wir sie wahr, weil sie das Wasser trüben.
- Bei den Stoffumsetzungen verbrauchen Bakterien Sauerstoff. Auch die Fische benötigen Sauerstoff. In bakterienreichem, trübem Wasser kann es durch diese Konkurrenz zu einem für die Fische tödlichen Sauerstoffmangel kommen. Besonders gefährdet sind die Fische im Sommer, weil sich in warmem Wasser nicht nur weniger Sauerstoff aus der Luft löst, sondern gleichzeitig der Sauerstoffverbrauch und die Vermehrung der Bakterien erhöht ist.
- Fische halten Bakterien von sich fern, indem sie Schleim bilden. Schleim ist eine Form von organischem Kohlenstoff und damit zwar prinzipiell schlechter abbaubar als andere organische Substanzen, aber es ist nur eine Frage der Zahl, wann die Bakterien es schaffen, die Schicht zu durchbrechen. Wenn sich also viele schleimabbauende Bakterien im Wasser befinden, beeinträchtigt dies den Selbstschutz der Fische. Aggressive Bakterien können in belastetem Wasser bis zur Haut vordingen und dort Eintrittsstellen für Krankheitserreger erzeugen. Die Tiere werden dann anfälliger für Krankheiten und ihre die Abwehrkraft gegen Pathogene und Parasiten sinkt.
Es gilt also zu verhindern, dass zu viele Bakterien im Prozesswasser vorhanden sind. Um dem Bakterienrisiko vorzubeugen ist eine schnelle Beseitigung der Nährstoffquellen im Wasser ebenso wichtig, wie eine regelmäßige Abschöpfung der Bakterien selbst. Beides passiert mit Hilfe von mechanischen Filtereinheiten, dem Trommelfilter und dem Abschäumer, welche sowohl große als auch kleine Partikel aus der Anlage entfernen. Dadurch wird nicht nur das Nährstoffangebot für die Bakterien, sondern auch deren Zahl verknappt. Dies verringert die Keimbelastung der Fische und die Konkurrenz um Sauerstoff zwischen Bakterien und Fischen bleibt technisch beherrschbar.
Biofilme in Kreislaufsystemen
Bakterien organisieren sich in der Natur oft in Biofilmen: Chemische Prozesse wie die Nitrifikation und die Denitrifikation sind Gemeinschaftsleistungen von verschiedenen Bakterienarten, die diese auf engstem Raum, im Biofilm, erbringen. Andere Bakterien veranlasst ein Nährstoffmangel dazu, eine extrazelluläre, klebrige Matrix zu bilden, mit der sie sich an Oberflächen anheften und kleine Partikel sowie gelöste Nährstoffe aus dem vorbeifließenden Wasser entnehmen können. Wegen den oben beschriebenen Risiken durch Bakterien wird im Haltungsbecken und damit in unmittelbarer Nähe zu den Tieren darauf geachtet, dass die Oberflächen (z.B. Beckenwände, Netze, Sonden etc.) für Biofilme möglichst klein und für den Anlagenbetreiber gut zugänglich sind. Das soll dem Anlagenbetreiber erlauben, Biofilme regelmäßig abzuwischen. In den einzelnen Biofiltern (Nitrifikation und Denitrifikation) dagegen wird den Bakterien mit Hilfe von strukturierten Trägermaterialien („Biofilter-Pellets“ oder auch „bio-carrier“ genannt) eine besonders große Oberfläche für die Besiedelung zur Verfügung gestellt. Zudem werden hier die Lebensbedingungen für Bakterien prozesstechnisch optimiert. So wird ein Filter zum Beispiel besonders gut belüftet, sodass die Bakterien viel Sauerstoff vorfinden und sich bevorzugt in diesem Filter anstelle des Beckens aufhalten. Während ihres Aufenthaltes in den Filtern verstoffwechseln die Bakterien dann die Ausscheidungen der Fische, sodass die Konzentration der Abfallstoffe im Becken stets niedrig bleibt und die Fische nicht gefährdet.
Zusammengefasst besteht das Geheimnis einer gesunden Klarwasser-Aquakultur somit aus einer effektiven mechanischen Entfernung von Feststoffen und Bakterien sowie aus einem kleinem Oberflächen-zu-Volumenverhältnis im Haltungsbecken. Daneben ist es wichtig, die verschiedenen Biofilter in Größe und Oberfläche ausreichend auszulegen und durch dort vorherrschende optimierte Bedingungen dafür zu sorgen, dass die Bakterien die Reststoffe effektiv abbauen können.
Referenzen
— Weuster-Botz, D.; Chmiel, H.; Takors, R.: Bioprozesstechnik. 4. Auflage, Springer-Verlag, 2018.
— Ernst, A.: MOSA1 – Mikrobielle Optimierung von Standardkomponenten in der Aquakultur. 1: Beckenabtrennungen: Netze oder Rechen?. Vortrag zum Abschlussbericht, 17.09.2019.
— Schooltink, H.: Mikrobielle Biofilme – Gemeinsam zur Attacke. Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe März 2015.
— Bildquelle: SEAWATER Cubes