Aquakultur für Quereinsteiger
f3 Magazin
Die Haltung von Barsch, Dorade und Co. ist eine Herausforderung. Die Vermarktung erst recht: „SEAWATER Cubes“ möchte Landwirten den Einstieg in die Aquakultur erleichtern. Aktuell fischt das Start-up noch selbst. Und zwar nach ersten Kunden.
Gründer Kai Wagner und einer seiner Mitarbeiter stehen am Beckenrand. Auf einmal platscht ihnen Wasser entgegen. Ein ganzer Schwarm Fische springt in Sekundenschnelle nach oben. Der Grund: Die automatische Fütterung ist angesprungen. Schnell treten die beiden einen Schritt zurück. 21.000 Wolfsbarsche tummeln sich wie wild an der hellblauen Wasseroberfläche.
Das Start-up „Seawater Cubes“ aus Saarbrücken möchte Landwirten, Gastronomen und anderen Quereinsteigern die Zucht von Wolfsbarsch und Dorade ermöglichen. „Unser Ziel ist es, die komplexe Haltung von Salzwasserfischen mit unserem System zu standardisieren und automatisieren“, sagt der 32-Jährige. Das Seawater-Team sieht einen Markt für heimisch erzeugten Fisch. Denn über 75 % des in Deutschland konsumierten Fisches und der Meeresfrüchte stammen aus dem Ausland.
Das l‑förmige Becken hat ein Wasservolumen von 55 m³. Es ist in drei Einheiten aufgeteilt. (Foto: Schildmann)
Das System Aquakultur
Die Idee des Start-ups: sogenannte Seawater Cubes zu Deutsch „Meerwasserwürfel“. Der Prototyp der Anlage besteht aus mehreren ausrangierten und umgebauten Schiffscontainern. Sie stehen auf einer betonierten Fläche von 100 m². „Wir bauen den schlüsselfertigen Cube beim Kunden auf“, sagt Gründer Christian Steinbach. „Die Anlage setzt sich aus drei recycelten Schiffscontainern zusammen.“ Innerhalb des Containers steht ein l‑förmiges Becken mit einem Wasservolumen von 55 m³ und einer fest installierten Klärtechnik.
Drei Altersgruppen
Das Becken ist derzeit für Wolfsbarsch und Dorade ausgelegt. Weitere Fischarten sollen folgen. Es ist in drei kleinere Einheiten für unterschiedliche Altersgruppen aufgeteilt: „Jede Einheit bietet Platz für 7000 Tiere. Die jungen Fische beziehen wir von einem Züchter aus Frankreich“, sagt der 30-Jährige. Die Tiere bleiben für je vier Monate in einem Beckenabschnitt. Dann kommen sie in die nächstgrößere Einheit. Sobald die Fische den achten Lebensmonat erreichen, entnimmt der Fischwirt vier Monate lang kontinuierlich Verkaufstiere direkt aus dem Becken.
Know-How durch Seminare
Wie die Schlachtung funktioniert, lernen die Quereinsteiger in Seminaren rund um das Thema Aquakultur durch Seawater Cubes. Christian erläutert: „Der Fischwirt entnimmt die Barsche aus dem Becken mithilfe eines Sortiergitters. Fische, die schwerer als 350 g sind, fallen nicht durch das Sieb. Die Fische tötet er gruppenweise mittels Elektroschock in einem separaten Wasserbecken. Im nächsten Arbeitsschritt erfolgt das Ausnehmen.“ In manchen Bundesländern ist ein Angelschein für das Töten und Zerlegen von Fischen aus Aquakultur nötig.
Futter bei die Fische
Die Fütterung erfolgt durch ein spezielles Futter für Raubfische. Die Kunden können das Futter direkt über Seawater Cubes beziehen. Der Maschinenbauingenieur Christian sagt: „Das Futter ist eine große Kostenposition in der Fischzucht. Daher ist ein günstiger Einkauf essenziell.“ Durch die Fütterung und die Zucht der Tiere fällt nährstoffhaltiger Schlamm als Nebenprodukt an. „Diesen kann der Fischwirt auf landwirtschaftlichen Flächen oder in einer Biogasanlage verwerten“, sagt Christian. Zur Baugenehmigung des Cubes sagt er: „Den Antrag füllen wir zusammen mit dem Kunden aus und reichen ihn beim zuständigen Bauamt ein.“
„Das Futter ist eine große Kostenposition in der Fischzucht. Daher ist ein günstiger Einkauf essenziell.“
Christian Steinbach
Geschäftsführender Gesellschafter
Terminal liefert Daten
Zurück im Cube: Kai und sein Mitarbeiter stehen an einem kleinen Terminal mit Touchscreen. Die beiden können nahezu alle Prozesse einsehen, die im Becken ablaufen: Wie hoch ist der Sauerstoffgehalt im Wasser? Stimmt der pH-Wert? Tauscht das System täglich nicht mehr als 1 % des Wassers aus? Kai sagt: „Viele Aufgaben übernimmt die Technik. Den Arbeitszeitbedarf schätzen wir dennoch auf 20 Stunden pro Woche und Cube für den Betrieb, das Schlachten und das Ausnehmen ein.“ Auf dem Display ebenfalls zu erkennen: Die Wassertemperatur. Sie beträgt aktuell 22 °C. Der Wolfsbarsch hat seine Wohlfühltemperatur im Bereich von 18 bis 28 °C. Der Automatisierungstechniker sagt: „Abwärme, etwa durch eine Biogasanlage ist nicht zwingend nötig, kann aber vorteilhaft sein. Einige Fischarten wachsen bei warmen Temperaturen schneller. Die Eigenwärme der Fische und der Wärmeausstoß der Filtertechnik bringen das Wasser aber auch im Winter ausreichend auf Temperatur.“
Kai kann Werte wie Sauerstoffgehalt oder pH-Wert am Terminal ablesen. (Foto: Schildmann)
Die Crux mit der Vermarktung
Wie so oft bei Nischen und neuen Standbeinen steht nach der Verarbeitung die Vermarktung an. „Da gibt es einige Möglichkeiten: Der Verkauf über den eigenen Hofladen, einen Online-Shop oder an die Gastronomie“, sagt Gründerin Carolin Ackermann. „Das ist die Eigenleistung der Erzeuger. Darüber hinaus baut mein Team die Plattform SEAWATER Fish auf, über die die Kunden ihren Fisch gegen eine Provision verkaufen können.“ Eine Abnahmegarantie gibt es aber nicht. Der regionale Vertrieb soll weiterhin im Vordergrund stehen. „Wir wollen nicht dezentral kleinskaliert Fische erzeugen, um sie dann zentral weiterzuverkaufen. Die Argumente Frische, Qualität und Nachhaltigkeit ziehen bei den Verbrauchern“, hofft die 29-Jährige.
„Darüber hinaus baut mein Team die Plattform SEAWATER Fish auf, über die die Kunden ihren Fisch gegen eine Provision verkaufen können.“ (Carolin Ackermann)
Für Direktabholer verpackt Carolin den Fisch in Tücher aus Bienenwachs. (Foto: Schildmann)
Beim Expressversand ist das Start-up auf eine Plastikverschweißung angewiesen. (Foto: Schildmann)
Eine Produktionsmenge von ca. 7 t Fisch pro Cube und Jahr ist möglich. Die Haltung im Cube ist konventionell, da eine ökologische Fischzucht nach EU-Vorgaben nicht im geschlossenen System stattfinden kann. Den Cube gibt es für 250.000 € zu kaufen.
Der Einstieg in die Aquakultur kam durch eine Grossanlage
Auf die Idee, die Fischzucht zu automatisieren, kamen Christian und Kai während ihrer Arbeit in einer großen Aquakulturanlage: „Jede Anlage wird individuell konzipiert. In der Regel wissen Anlagenbauer und der angehende Fischwirt nicht, wie die Anlagen‑, Filter- oder Automatisierungstechnik bestmöglich gebaut werden soll“, sagt Christian. Mit dem SEAWATER Cube will das Gründerteam Fischzuchtanlagen mit gleichbleibenden Verhältnissen schaffen. Daher bauen sie die Technik ungerne in Altgebäuden ein. „Möglich ist es, die Anlage auch ohne Container in anderer Größe zu liefern. Eine Projektierung von neuen Anlagen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen weicht allerdings von unserer ursprünglichen Idee ab“, sagt Carolin, die für den Vertrieb zuständig ist.
Erste Kunden kommen langsam
SEAWATER Cubes steht jetzt in den Startlöchern. Das Produkt ist marktreif. Doch aller Anfang ist schwer. Jeder potenzielle Kunde wartet auf Praxiserfahrungen der anderen. Erst einen angehenden Fischwirt konnte das Start-up bislang gewinnen. 2020 möchte das Team drei Anlagen verkaufen. Christian glaubt daran, in den nächsten 10 Jahren 200 Cubes auszuliefern: „Ich halte einen Marktanteil von 10 % in Deutschland bei Wolfsbarsch und Dorade für mehr als realistisch.“
SEAWATER ist auf weitere Kunden angewiesen. Die Entwicklung des Prototypen konnte das Team seit Oktober 2017 durch einen Exist-Forschugnstransfer in Höhe von 1,1 Mio. Euro finanzieren. Der Forschungstransfer läuft im März aus. Während des Forschungsprojektes haben wir unsere Firma mit eigenem Kapital ausgegründet. Dort sind aktuell noch zwei Businessangels und die saarländische Wagnisfinanzierungsgesellschaft mbH dabei, die abhängig von den verkauften Cubes Geld beisteuert.
„Aber erstmal ein Schritt nach dem anderen.“ (Carolin Ackermann)
Auch die Internationalisierung auf den europäischen Markt ist angedacht. Das Gründerteam träumt davon, den Cube auf weitere Tierarten auszudehnen: Yellowtail Kingfish oder die Black Tiger Garnele wären möglich. Carolin sagt: „Aber erstmal ein Schritt nach dem anderen.“
Aquakultur in Deutschland
Die Deutschen verspeisen jährlich über 1,1 Mio. t Fisch und Meeresfrüchte. Davon stammen lediglich 260 Mio. Tonnen aus eigener Hochseefischerei und Aquakultur. Deutsche Fischer fangen 230 Mio. Tonnen. Die restlichen 30 Mio. kommen von Aquakulturbetrieben auf dem Festland. Knapp 2500 Fischwirte erzeugen 20.000 t Fisch, 13.000 t Muscheln und 100 t Krebstiere und Kaviar pro Jahr. Der Großteil der Betriebe produziert geringe Mengen und im Nebenerwerb.
Die meisten Fischwirte erzeugen Süßwasserfische wie Forellen, Karpfen oder Barsche. Salzwasseranlagen für Wolfsbarsch und Dorade, wie sie Seawater anbietet, machen nur einen geringen Anteil aus.
In Deutschland stagniert die Produktionsmenge von Fischen aus Aquakultur in den vergangenen Jahren. Die Nachfrage wird vor allem durch Importe gedeckt. Experten schätzen an Kreislaufanlagen den geringen Wasserverbrauch und die niedrigen Nährstoffemissionen. Dem stehen hohe Investitions- und Betriebskosten entgegen.