Meeresfisch aus dem Saarland
tagesschau
Kühlkette, Transportwege, Überfischung: Wer im Supermarkt Meeresfisch kauft, tut das oft mit schlechtem Gewissen. Ein Start-Up aus dem Saarland will das Problem lösen – mit neuartigen Fischzuchtanlagen.
Heute sind es acht Fische, die Hauke Peters fängt. Wolfsbarsch, der Mittelmeer-Fisch schlechthin. Doch Peters ist kein Fischer und steht auch nicht auf einem Fischerboot, sondern er hat trockenen Boden unter den Füßen – in einem Container in einem Saarbrücker Gewerbegebiet, 600 Kilometer vom Mittelmeer entfernt.
Peters ist Wissenschaftler und forscht rund um ein Becken mit 70.000 Litern Salzwasser. Ein Unternehmen aus dem Saarland hat die Fischzucht-Anlage entwickelt und gebaut. Sie passt in vier Frachtcontainer und kostet rund eine halbe Million Euro. Die Idee ist simpel: Wächst der Fisch dort auf, wo er gebraucht wird, entfallen die langen Transportwege vom Meer zum Kunden. Landwirte könnten sich ein zweites Standbein aufbauen, Gastronomiebetriebe ihre Gäste mit fangfrischem Fisch versorgen.
Der Container, in dem Hauke Peters fischt, ist der Prototyp. Damit potenzielle Kunden sehen, wie das Konzept funktioniert. Noch sind erst drei Stück verkauft, aber es gibt Interesse, sagt Gründerin Carolin Ackermann: „Die Leute haben Lust und Power, was auf die Straße zu bringen. Die wollen nachhaltige Projekte umsetzen, um ihren Beitrag zu leisten.“
Der Betrieb läuft größtenteils automatisch
Es hat einen langen Anlauf gebraucht, bis die Container-Fischzucht die ersten Filets hervorbrachte: Als Studenten forschten die Gründer über die große Meeresfischzuchtanlage in Völklingen, keine Viertelstunde von Saarbrücken entfernt. Die schrieb mit staatlichen Geldern so hohe Verluste, dass der Landtag einen Untersuchungsausschuss einsetzte. Doch das Prinzip, Meeresfische komplett ohne Zugang zum Meer zu züchten, hatte Potenzial. Aus den Studenten wurden Unternehmer und der „Seawater Cube“ war geboren.
„Es gibt langsam, aber dafür weltweit ein Umdenken“, konstatiert Fabian Schäfer vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. „Es ist sinnvoll, Fischzucht herunterzuskalieren. So können auch Quereinsteiger mitmachen und man kann ungenutzte Flächen sinnvoll einsetzen. Aber im Vergleich zu niedrigtechnologischen Systemen wie der klassischen Aquakultur im Meer ist so etwas ein enormer Mehraufwand.“
Das „Seawater Cubes“-Team setzt auf Hightech. So will das Unternehmen die Anlage auch für Betriebe attraktiv machen, die keine Erfahrung mit Fischen haben. Die Fütterung, der Wasseraustausch und die Erwärmung der Becken richten sich automatisch danach, wie viele Fische gerade im Wasser sind und wie groß sie sind.
„Der Kunde muss nur noch relativ wenig Arbeitszeit in den Betrieb der Anlage stecken“, erklärt Mitgründer Christian Steinbach. „Und die Betriebssicherheit steigt natürlich. Alles, worüber man sich keine Gedanken machen muss, führt dazu, dass die Produktion stabiler läuft.“ Rund eine Stunde am Tag, rechnet er vor, reicht aus. Zum Putzen, Futter-Nachfüllen und natürlich zum Fischen.
Landwirte sind nicht abgeneigt
Sieben Tonnen im Jahr kann man aus dem Container ernten. Eine große, industrielle Meeresfischzuchtanlage schafft das Hundertfache. Aber es ist dennoch genug, um eine Kleinstadt mit Meeresfisch zu versorgen. Und so sind die Bauern – eine Hauptzielgruppe des Start-Ups – auch nicht abgeneigt. Doch für viele Landwirte stimmt die Kalkulation noch nicht. Es fehlen erprobte Vertriebswege für den Fisch, und ohne die ist die Investition zu riskant. Dazu kommt, dass die Indoor-Fischzucht noch nicht als Landwirtschaft zählt – und deshalb auch nicht von den steuerlichen Erleichterungen profitiert, die der Landwirtschaft zugutekommen.
Im Vorführ-Container in Saarbrücken schwimmen im Moment Wolfsbarsche und Doraden, theoretisch kann man aber fast jeden Meeresfisch im „Cube“ züchten, solange er nicht allzu groß wird. Bei 500 Gramm Gewicht ist Schluss, sonst wird das Becken zu klein. Für Lachse, die bei der Schlachtung mehrere Kilo wiegen, eignet sich die Anlage also nicht.
Künftig will Hauke Peters, der wissenschaftliche Mitarbeiter, auch den Roten Trommler testen. Der lebt sonst vor der Ostküste der USA und im Pazifik. Die Chancen, ihn an der Fischtheke im Supermarkt zu finden, liegen im Moment noch bei null. Wenn Peters‘ Test erfolgreich ist, könnten zukünftige Fischzucht-Container auch diese Art beherbergen.
Auch Abwasser und Energie müssen nachhaltig sein
Bald könnte noch ein fünfter Container dazukommen. In ihm würden dann Pflanzen wachsen. „Wir haben eh schon eine Knappheit an Düngemitteln, also an Stickstoff und Phosphaten. Und was hier gelöst im Wasser drin ist, durch die Ausscheidungen der Fische, sind Stickstoffe und Phosphat. Da liegt der Schluss nahe, dass man beides miteinander verbindet und die Pflanzen als Filter benutzt“, erzählt Christian Steinbach. Doch noch ist das Konzept nicht hundertprozentig ausgereift, denn die ideale Pflanze fehlt noch. Sie muss salzwasserresistent sein und möglichst vielseitig verwendbar.
„Auf so etwas muss man achten, wenn eine Fischzucht auf der grünen Wiese gebaut wird“, sagt auch Fabian Schäfer vom Leibniz-Institut. Er stellt dem Konzept „Fischzucht im Container“ grundsätzlich ein positives Zeugnis aus. „Was passiert mit dem Abwasser? Wie energieautark ist die Anlage? Wo kommt das Futter her?“, fragt Schäfer aber auch. Nur, wenn auch diese Aspekte nachhaltig seien, könne die ganze Anlage nachhaltig wirtschaften.
Der Wolfsbarsch aus dem Probe-Container landet übrigens bei verschiedenen Restaurants im Saarland. Dort ist man begeistert. „Das ist der beste Fisch, den ich bisher jemals hatte“, sagt Jenifer Weichel vom Restaurant „Casino am Staden“ in Saarbrücken. Neulich haben sich Gäste beschwert. Das sei doch kein Wolfsbarsch. Dabei hatten sie nur noch nie so frischen Meeresfisch gegessen.
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