Siegel und Zertifizierungen

Um beim Lebens­mit­tel­ein­kauf aus dem Ange­bot an zahl­rei­chen Pro­duk­ten ver­schie­de­ner Her­stel­ler und Mar­ken die rich­ti­ge Wahl zu tref­fen, ori­en­tie­ren sich vie­le Ver­brau­cher an Sie­geln und Zer­ti­fi­ka­ten. Die­se wur­den ursprüng­lich ins Leben geru­fen, um Pro­duk­te mit bestimm­ten Merk­ma­len zu asso­zi­ie­ren und um den Kon­su­men­ten als Ent­schei­dungs­grund­la­ge zu die­nen. Dabei las­sen sich die Güte­sie­gel sowohl nach Umwelt- oder sozia­len Gesichts­punk­ten ein­tei­len, als auch nach den Pro­dukt­grup­pen, auf die sie sich beziehen.

In Deutsch­land gibt es inzwi­schen über 1000 ver­schie­de­ne Güte­sie­gel, Her­kunfts­zei­chen und Sym­bo­le. Dem­entspre­chend bunt geht es auf Lebens­mit­tel-Ver­pa­ckun­gen zu. Nur die wenigs­ten der Sie­gel basie­ren dabei auf recht­li­chen Grund­la­gen. Eine Groß­zahl der Zei­chen sind Eigen­mar­ken oder pri­va­te Prüf­zei­chen. Für den Ver­brau­cher ist die­se Sie­gel- und Zer­ti­fi­zie­rungs­land­schaft in ers­ter Linie ver­wir­rend und unüber­sicht­lich. Vie­le Labels und deren Intrans­pa­renz erschwe­ren die Wahl geeig­ne­ter Lebens­mit­tel und die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit deren Her­kunft auf Basis der eige­nen Wertvorstellungen.

Auch im Hin­blick auf die Aqua­kul­tur besteht viel Auf­klä­rungs­be­darf, wie jüngst ver­schie­de­ne Stu­di­en zeig­ten, dar­un­ter die Unter­su­chung des BÖLN (Bun­des­pro­gramm Öko­lo­gi­scher Land­bau und ande­re For­men nach­hal­ti­ger Land­wirt­schaft) „Kreis­lauf­an­la­gen – Posi­tio­nen des Öko­sek­tors.“. Fisch­zucht ist zwar seit 2009 in die EU-Öko-Ver­ord­nung inte­griert, moder­ne Kreis­lauf­sys­te­me wer­den jedoch aktu­ell aus der Ver­ord­nung aus­ge­schlos­sen. Die erwähn­te „natur­na­he“ Hal­tung ist nicht mit Kreis­lauf­sys­te­men ver­ein­bar, wel­che die Fische in Kunst­stoff­be­cken unterbringen.

„(11) Im Zuge jüngs­ter tech­ni­scher Ent­wick­lun­gen wer­den zur Aqua­kul­tur­pro­duk­ti­on immer häu­fi­ger geschlos­se­ne Kreis­lauf­sys­te­me ein­ge­setzt, die zwar exter­nen Input erfor­dern und einen hohen Ener­gie­be­darf haben, bei denen aber kaum Abwas­ser anfällt und aus denen Zucht­fi­sche nicht ent­kom­men kön­nen. Ange­sichts des Grund­sat­zes, dass eine öko­lo­gi­sche Erzeu­gung so natur­nah wie mög­lich sein soll­te, soll­te der Ein­satz sol­cher Sys­te­me für die ökologische/biologische Pro­duk­ti­on unter­sagt wer­den, bis neue Erkennt­nis­se vor­lie­gen.“
(Ver­ord­nung (EG) Nr. 710/2009 vom 05.08.2009)

Der Begriff der Natur­nä­he und die Fra­ge, wel­che neu­en Erkennt­nis­se not­wen­dig sind, wur­den in der Stake­hol­der-Stu­die von Natur­land auf­ge­grif­fen und kon­tro­vers dis­ku­tiert. Es lässt sich sagen, dass jede Aqua­kul­tur an sich künst­lich ist, die Kreis­lauf­an­la­ge es aber vor allem durch den Ver­brau­cher als „natur­fern“ bezeich­net wird. Die­ser über­trägt häu­fig sei­ne Kennt­nis­se und Wahr­neh­mun­gen der Nutz­tier­hal­tung von Vieh und Geflü­gel (Mas­sen­tier­hal­tung) auf die Fisch­zucht und beur­teilt die­se somit vor allem emo­tio­nal und unsachlich.

Ver­gli­chen mit ande­ren Fisch­zucht­prak­ti­ken haben geschlos­se­ne Kreis­lauf­sys­te­me in Bezug auf die Umwelt jedoch zahl­rei­che Vorteile:

  • Scho­nung der Bestän­de in natür­li­chen Gewässern
  • Kein Ablei­ten der Aus­schei­dun­gen und Rest­stof­fe in natür­li­che Gewässer
  • Redu­zie­rung des Wasserverbrauchs
  • Ver­kür­zung von Transportwegen
  • Kon­trol­le über den Fisch­be­stand, kei­ne Aus­bre­cher in umlie­gen­de Ökosysteme
  • Ernäh­rungs­si­cher­heit

Um zukünf­tig eine qua­li­ta­ti­ve Cha­rak­te­ri­sie­rung von Fisch­zuch­ten zu gewähr­leis­ten und die Öko­zer­ti­fi­zie­rungs­ver­fah­ren für Kreis­lauf­an­la­gen zu legi­ti­mie­ren, muss die Defi­ni­ti­on der EG Öko Ver­ord­nung in kon­kre­te Bewer­tungs­punk­te unter­teilt wer­den. Kri­te­ri­en wie „natur­nah“ und „tier­ge­mä­ße Nutz­tier­hal­tung“ sind in ihren Anfor­de­run­gen zu kon­kre­ti­sie­ren, sodass jede Anla­ge indi­vi­du­ell eva­lu­iert wer­den kann

Auch wenn es aktu­ell kei­ne Bio-Zer­ti­fi­zie­rungs­mög­lich­keit für geschlos­se­ne Kreis­lauf­a­qua­kul­tur gibt, geben wir nach­fol­gend den­noch eine kur­ze Ein­füh­rung in die wich­tigs­ten Label:

EU Bio-Sie­gel
Die­ses Sie­gel ist auf Pro­duk­ten zu fin­den, bei denen min­des­tens 95% der Inhalts­stof­fe aus Öko-Anbau stam­men und die maxi­mal 0,9% gen­tech­nisch ver­än­der­tes Mate­ri­al ent­hal­ten. Seit 2010 gibt es einen indi­vi­du­el­len Bereich der öko­lo­gi­schen Aqua­kul­tur, in dem fest­ge­schrie­ben ist, dass die Besatz­dich­te nicht mehr als 25 kg pro m3 betra­gen darf (je nach Art unter­schied­lich). In geschlos­se­nen Kreis­lauf­an­la­gen dür­fen nur Brut und Jung­tie­re gehal­ten wer­den. Als Fut­ter sind nur öko­lo­gisch pro­du­zier­te Fut­ter­mit­tel erlaubt und für fleisch­fres­sen­de Fische sind bestimm­te pflanz­li­che Inhalts­stof­fe nur ein­ge­schränkt genehmigt.
Natur­land
Seit Mit­te der 1990er Jah­re hat der 1982 gegrün­de­te Natur­land-Ver­band für öko­lo­gi­schen Land­bau e.V. auch Richt­li­ni­en zur Aqua­kul­tur. Dabei dür­fen aus­schließ­lich Fut­ter­mit­tel ver­wen­det wer­den, die die­se Richt­li­ni­en erfül­len. Außer­dem darf die Besatz­dich­te 10 kg pro m3 nicht über­schrei­ten (je nach Fisch­art unter­schied­lich). Wei­ter­hin dür­fen kei­ne Che­mi­ka­li­en zum Ein­satz kom­men und die Tie­re dür­fen nicht in künst­li­chen Behäl­tern auf­ge­zo­gen wer­den. Somit schließt die­ses Sie­gel die Hal­tung in geschlos­se­nen Kreis­lauf­an­la­gen kate­go­risch aus.
Deut­sches Bio-Siegel
Auch das deut­sche Pen­dant des EU-Öko-Labels basiert auf den EU-Rechts­vor­schrif­ten und ist dem­entspre­chend meist zusam­men mit die­sem auf der Pro­dukt­ver­pa­ckung zu fin­den. Es rich­tet sich dabei eben­so auf eine „art­ge­rech­te Tier­hal­tung“ und eine scho­nen­de, nach­hal­ti­ge und somit öko­lo­gi­sche Produktion.
ASC
In Anleh­nung an das MSC-Sie­gel für Fische­rei­pro­duk­te des Wild­fisch­fangs exis­tiert seit 2009 das ASC-Sie­gel für ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Aqua­kul­tur. Die Stan­dard­kri­te­ri­en sind dabei die Rück­ver­folg­bar­keit der Her­kunft des Fisch­fut­ters (nicht aus über­fisch­ten Bestän­den, GVO dekla­riert), das Ver­bot von gen­tech­nisch ver­än­der­ten Tie­ren, Stand­ort­eig­nung für die Zucht­fi­sche, nied­ri­ge Sterb­lich­keits­ra­te im Zucht­zeit­raum, Gewähr­leis­tung der Was­ser­qua­li­tät und medi­zi­nisch über­wach­ter Ein­satz von Anti­bio­ti­ka aus­schließ­lich zur Behand­lung kran­ker Tiere.
Mitt­ler­wei­le gibt es Doku­men­ta­tio­nen über die Akti­vi­tä­ten und Zer­ti­fi­zie­rungs­ab­läu­fe von MSC und ASC. In Anbe­tracht die­ser Berich­te stellt sich die Fra­ge, ob die mit die­sen Sie­geln zer­ti­fi­zier­ten Pro­duk­te tat­säch­lich noch nach den ange­ge­be­nen Kri­te­ri­en pro­du­ziert wer­den und ob man auf das Sie­gel ver­trau­en sollte.
Zusam­men­fas­send lässt sich fest­hal­ten, dass Ver­brau­cher heut­zu­ta­ge nicht nur blind auf abge­druck­te Sie­gel ver­trau­en, son­dern sich – gera­de im Fri­sche­be­reich – ihr eige­nes Bild von Pro­duk­ten und deren Her­kunft machen soll­ten. Im Zuge einer zuneh­mend regio­na­len Ver­sor­gung wird es dem Ver­brau­cher ermög­licht, den Kon­takt mit dem Pro­du­zen­ten zu pfle­gen und sich im per­sön­li­chen Gespräch auf dem Markt oder beim Pro­du­zen­ten vor Ort von den Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen der Lebens­mit­tel zu über­zeu­gen. Dadurch weiß der Kon­su­ment, was auf sei­nem Tel­ler lan­det und der Erzeu­ger erfährt letzt­lich mehr Ver­ständ­nis und eine grö­ße­re Wert­schät­zung sei­ner Ware.

In die­sem Sin­ne wer­den wir auf abseh­ba­re Zeit auf Sie­gel ver­zich­ten und möch­ten die Ver­brau­cher lie­ber dazu anre­gen, sich über die Her­kunft des Fisches auf ihrem Tel­ler zu infor­mie­ren und die­je­ni­gen Anbie­ter zu unter­stüt­zen, die ihren Wer­ten von Fri­sche, Nach­hal­tig­keit und Qua­li­tät am bes­ten entsprechen.