Aquakultur trifft Biogas
Biogas ist ein Energieträger, der laut der Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leistet [1]. Die Biogasproduktion benötigt keine Sonne und keinen Wind. Ausgangsstoffe für diese Art der Energieerzeugung sind nachwachsende Rohstoffe, sogenannte Biomassen. Andererseits werden Abfälle, zum Beispiel Klärschlamm und Speisereste verwendet. Wichtige Ausgangsstoffe sind aber auch landwirtschaftliche Abfälle, also Pflanzenreste, Gülle und Mist.
Ähnliche Abfälle fallen auch in der Aquakultur an. Diese können, wie Untersuchungen an der TU Braunschweig schon vor zwanzig Jahren gezeigt haben, als Ausgangsstoff für die Biogasproduktion eingesetzt werden. Eine zukunftsfähige Aquakultur koppelt sich an die Biogas-Fermentation, um die Energie in den Reststoffen zu recyceln und in nutzbares Biogas zu wandeln. Die Umsetzung dieser Kopplung beleuchten wir in diesem Blogbeitrag näher.
Aktuelle Herausforderungen der Aquakultur
Bei dem derzeitigen Zustand unserer Weltmeere ist es nicht mehr realistisch, dass die Märkte von der Fischerei versorgt werden. Die internationale Statistik der Food and Agriculture Organisation (FAO) weist aus, dass heute schon mehr als die Hälfte der aquatischen Lebensmittel aus der Aquakultur kommt [3]. Bei den Fischarten Wolfsbarsch und Dorade übersteigt die Produktion der Aquakultur die Erträge aus der Fischerei schon um das Dreißig- bis Fünfzigfache [2].
Die Fischzucht versorgt also die Welt mit proteinreichen Lebensmitteln. Sie kann natürliche Ökosysteme entlasten, die durch den Druck der Fischerei an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht wurden. Der scheinbar positive Beitrag der Aquakultur relativiert sich, wenn man die Umweltproblematik konventioneller Verfahren betrachtet. Aquakulturen sind immer noch, wie die meisten industriellen Produktionen, offene Systeme. Sie entnehmen das Wasser der Umwelt und geben es belastet mit Abfallstoffen wieder ab. Netzkäfiganlagen stehen für die Massenproduktion in der Aquakultur. Sie verbrauchen das Wasser aus Seen und Flüssen. Netzkäfiganlagen für den atlantischen Lachs (Salmo salar), sind an den Küsten Nordeuropas verankert. Im Mittelmeerraum werden Wolfsbarsche und Doraden in Netzkäfigen produziert. Unter allen diesen Anlagen sammeln sich Futterreste und Faeces, die Endprodukte des Verdauungsstoffwechsels. Die Stoffmengen sind erheblich. Bei Doraden sedimentieren je 1000 kg produzierten Fisch rund 450 kg Ausscheidungen aus den Netzkäfigen auf den Meeresgrund. Eine wertvolle Ressource, die rund 320 kg in der Biogas-Fermentation verwertbare organische Substanz enthält [7].
Der organische Abfall aus Netzkäfigen verändert die Lebensbedingungen für die Benthos-Lebensgemeinschaft unterhalb der Netzkäfige [8,9]. Das Resultat: Verlust von Biodiversität und Abundanz. Zurück bleibt ein gestörtes Ökosystem, das seine ursprünglichen Aufgaben als Teil der Biosphäre nicht mehr erfüllen kann. Im Übrigen, die durch Aquakultur zerstörten Benthos-Ökosysteme entlassen dann auch noch giftiges Schwefelwasserstoffgas [10], das als Gasblase aufsteigt und die Gesundheit der Fische und der Mitarbeiter [11] in der Netzkäfiganlage gefährdet.
Kreislaufsysteme sind die Lösung
Die Aquakultur muss umgesteuert werden und durch verbesserte Verfahren wie eine zuverlässige Kreislauftechnologie zukunftsfähig werden. Diese Prozesstechnik basiert auf 25 Jahren Forschung und Entwicklung [5,6]. Sie ist komplex, mittlerweile jedoch in verschiedenen Konzepten erfolgreich realisiert. Durch zuverlässige Prozessführung wird es möglich, Kreislaufanlagen mit einer Biogas-Fermentation zu koppeln.
Ein großer Vorteil von Aquakultur-Kreislaufanlagen ist, dass es keinen Futterverlust gibt. Die automatisierte Fütterung führt nur die Menge Futter den Fischen zu, die sofort aufgenommen wird. Ausscheidungen der Tiere werden in komplexen, mehrstufigen Filteranlagen [4] aus dem Kreislaufwasser gefiltert. Besonders mit Hilfe von mechanischen Siebfiltern können die Reststoffe aufgefangen und als Schlamm konzentriert gesammelt werden.
Im Anschluss besteht die Chance, diese Reststoffe durch die Koppelung an eine Biogas-Fermentation zu recyceln und Abfall zu vermeiden.
Energieerzeugung dank Biogasanlagen
Die Biogas-Fermentation ist ein natürlicher Verfahren, das in der industriellen Biotechnologie genutzt wird. Es besteht aus aufeinanderfolgenden biochemischen Prozessen verschiedener Mikroorganismen [12]. Die Ausgangsstoffe sind organische Substanzen (Moleküle), zum Beispiel Mais, ein nachwachsender Rohstoff, Klärschlamm, Lebensmittelabfälle, Gülle. Das sind Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Die großen Moleküle und Polymere werden in einem ersten Schritt (1) durch Mikroorganismen in kleinere Moleküle zerteilt. Daraus entstehen in einem weiteren mikrobiellen Prozess Alkohole und organische Säuren (2). Alkohole und organischen Säuren werden danach durch Mikroorganismen zu Essigsäure umgesetzt (3). Es folgt die mikrobielle Synthese von Methangas (CH4) aus der Essigsäure (4). Dabei fällt Kohlenstoffdioxid an, das von einer anderen Gruppe von Mikroorganismen mit Wasserstoff zu Methangas synthetisiert wird (5). Alle beteiligten Mikroorganismen nutzen die biochemischen Stoffwechselwege, die zusammen in einer biologischen Prozesskette organische Substanz in Methangas wandeln, um Energie für ihren Zellstoffwechsel zu erhalten. Sie müssen in einem Biogas-Fermenter hinreichende Lebensbedingungen finden, damit alle einzelnen Schritte der Biogas-Synthese zuverlässig ablaufen.
Biogaserzeugung und Meeresfischzucht – was ist mit dem Salz?
Die Koppelung an eine Kreislaufanlage für Meeresfische ist aufgrund der Salzfracht im Abwasser nicht gleich offensichtlich. Die wissenschaftliche Literatur liefert aber gute Informationen, die die Machbarkeit aufzeigen. In einer Kreislaufanlage für Meeresfische ist der Salzgehalt des Prozesswassers ein eventuell limitierender Faktor für die Biogas-Fermentation. Der Salzgehalt von Meerwasser wird hauptsächlich von der Konzentration des Natriumchlorids, Kochsalz, bestimmt. Die grafische Abbildung unten zeigt die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zur Wirkung von Natriumchlorid auf die Biogas-Fermentation. Die roten Balken in der oberen Hälfte der Grafik zeigen, dass einige Wissenschaftler*innen eine Hemmung der Biogas-Fermentation bei Natriumchlorid-Konzentrationen über 10 Gramm pro Liter im Gärsubstrat festgestellt haben. Die türkisgrünen Balken in untenstehender Grafik zeigen, dass von verschiedenen Wissenschaftler*innen keine Hemmung der Biogas-Fermentation bis zu Natriumchlorid-Konzentrationen von 30 Gramm pro Liter im Gärsubstrat festgestellt wurde. Das erscheint zunächst widersprüchlich. Bei den wissenschaftlichen Untersuchungen wurden keine identischen Mikroorganismen verwendet, jede Arbeitsgruppe hatte eine eigene Quelle. Es ist zu vermuten, dass also unterschiedliche Mikroorganismen mit unterschiedlich guter Adaptation an Natriumchlorid in dem Fermentationsprozess eingesetzt wurden.
Abbildung: Zusammenstellung der Ergebnisse aus einigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Die türkisgrünen Säulen zeigen die von den Autoren*innen beschriebenen Natriumchloridkonzentrationen (NaCl), bei denen keine Beeinträchtigung der Biogassynthese festgestellt wurde. Die roten Säulen zeigen die Bereiche, in denen die Autoren*innen eine Beeinträchtigung der Biogasproduktion festgestellt hatten.
Mikroorganismen können sich, wie die wissenschaftliche Literatur zeigt, an unterschiedliche Salzkonzentration in einer Biogas-Fermentation anpassen [13,15]. Die sehr frühe Hemmung schon bei 10 Gramm Natriumchlorid pro Liter [14] ist nicht konsistent mit den Ergebnissen der anderen wissenschaftlichen Arbeiten. Es könnte also sein, dass eine nicht gut adaptiertes Mikrobiom in der Fermentation eingesetzt worden war. Mit Blick auf die anderen Ergebnisse sind Konzentrationen bis zu 30 Gramm Natriumchlorid pro Liter Gärsubstrat unkritisch für den Biogas-Fermentationsprozess.
Hier ein kleines Rechenbeispiel:
Die Natriumchlorid-Konzentration in Rindergülle beträgt ungefähr 1.2 Gramm pro Liter, liegt also weit unterhalb der Konzentration, ab der eine Hemmung der Biogas-Fermentation erwartet werden muss. Angenommen, dass eine Kreislaufanlage täglich 1 Kubikmeter Schlamm mit einer Natriumchlorid-Konzentration von 2.0 Gramm pro Liter abgibt und mit einer Biogasanlage gekoppelt wird, die täglich 10 Kubikmeter Gülle verarbeitet, dann verdoppelt sich, wenn man den Schlamm in die Gülle einmischt, die Natriumchlorid-Konzentration auf ungefähr 3.2 Gramm pro Liter für das Gemisch. Nach den Ergebnissen aller Autoren, ist dieser Anstieg des Salzgehalts für den Prozess einer Biogas-Fermentation unkritisch. Die Konzentration liegt um den Faktor 10 unterhalb der hier angenommenen Grenzkonzentration von 30 Gramm Natriumchlorid pro Liter Gärsubstrat.
10 m³ Gülle mit 1,2g / l Salz
1m³ Fisch-Schlamm mit 20g / l Salz (bei Konzentration von 2%)
–> 1m³ Fisch-Schlamm wird gedanklich auf 10m³ verdünnt durch Vermischen mit Gülle = 10m² mit 2g / l
Ergibt eine Anhebung von 2g / l durch das Einmischen von 1m³ Fischwasser in 10m³ Gülle.
Start Gülle 1,2 g / l + Fisch Schlamm 2,0 g / l = 3,2 / l Gemisch
Um die Zunahme des Salzgehaltes müssen wir uns also keine Gedanken machen, sollten aber erinnern, dass sich die Mikroorganismen an diese Veränderung im Gärsubstrat anpassen werden. Das Fazit: Der Salzgehalt in einem Meerwasser-Produktionssystem stellt kein Problem dar.
Kopplung eines SEAWATER Cubes mit einer Biogas-Fermentation
Die Prozesstechnik im SEAWATER Cube basiert auf der Kreislauftechnologie und erlaubt so die unkomplizierte Kopplung mit einer Biogas-Fermentation.
Das Verfahren funktioniert so: Das Abwasser aus dem Cube – ein wässriger Schlamm – wird in die Gülle eingeleitet und diese dann in die Biogasanlage eingespeist. Dabei unterstützt das Abwasser die Fließeigenschaften der Gülle, sodass es seltener zu Verstopfungen kommt.
Die organischen Substanzen der Fische werden so in einen erneuerbaren Energieträger überführt, der nachhaltig im Haushalt, in der Industrie und im Verkehr genutzt werden kann. Vorteil dabei ist, dass das Abwasser nicht über das kommunale Abwassernetz entsorgt werden muss. Dadurch werden der Austrag organischer Substanz in die Umwelt und Umweltschäden verhindert. Zudem werden Kosten gespart.
Zudem entsteht bei der Stromproduktion über Biogas im Gasmotor, der zur Stromproduktion den Generator antreibt, Abwärme. Diese Abwärme wird zum einen genutzt, um die Biogasanlage selbst zu heizen. Deren Bakterien arbeiten bei höherer Temperatur schneller. Zum anderen kann die Abwärme im Winter über eine Wärmetauscherplatte in das Becken den Fischen zugeführt werden, die im Allgemeinen Wassertemperaturen über 18°C benötigen. So wird die Abwärme sinnvoll genutzt und im laufenden Betrieb des Cubes fallen weniger Kosten für Energie an.
Ein weiterer Vorteil: Der über Biogas erzeugte Strom ist vergleichsweise günstig und da die Aquakulturanlage pro Jahr ca. 55.000 kWh Strom benötigt, ergeben sich bei Direktnutzung (Eigenverbrauch) des Stromes Synergieeffekte bzw. Einsparungen.
Im Ergebnis kann durch die Kopplung von Biogas und Aquakultur einerseits der Kreislauf weiter geschlossen werden und werthaltige Prozessendprodukte wie Abwasser und Abwärme werden einer nachhaltigen Nutzung zugeführt. Andererseits wird die Wirtschaftlichkeit der Fischzucht durch den günstigen Strombezug und die Vermeidung von Abfallkosten verbessert.
Individuelle Beratung für individuelle Bedürfnisse
Der SEAWATER Cube ist in erster Linie ein standardisiertes System. Spezifische Anforderungen und Bedürfnisse aufgrund unterschiedlicher Standortgegebenheiten können jedoch individuell berücksichtigt werden. Gemeinsam mit unseren Kunden erarbeiten wir passgenaue Lösungen, so beispielsweise auch mit Carl und Louise aus Münster, die sich eine Kopplung mit der bestehenden 75 kW Biogas-Anlage gewünscht haben. Durch seine Kompaktheit ließ sich die Anlage perfekt neben der Biogas-Anlage platzieren und installieren.
Referenzen / Quellen
- [1] https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/bioeokonomie-nachwachsende-rohstoffe/biogas.html
- [2] FAO. 2023. Fishery and Aquaculture Statistics. www.fao.org/fishery/en/statistics/software/fishstatj.
- [3] FAO. 2022. The State of World Fisheries and Aquaculture 2022. Towards Blue Transformation. Rome, FAO.
- [4] Environmental Impacts of Aquaculture, Sheffield Academic Press, 2001
- [5] Handbuch Fisch, Krebs- und Weichtiere, Behrs Verlag, 2000, 2003, 2014
- [6] Aquacultural Engineering 58:20–28, 2014
- [7] Aquat. Living Resour. 11(4):265–268, 1998
- [8] Aquacult Environ Interactions, 2: 157–176, 2012
- [9] Ecological Modelling 361:122–134, 2017
- [10] https://repository.library.noaa.gov/view/noaa/2071
- [11] Journal of Agromedicine, 15:412–426, 2010
- [12] Energie aus Biomasse, Springer Verlag, 2009
- [13] Water Sci Technol 73 (8): 1865–1871, 1984
- [14] Bioresource Technology 93:155–167, 2004
- [15] Bioprocess Biosyst Eng 42, 1915–1922, 2019
- [16] Water Sci Technol 73 (8): 1865–1871, 2016
- [17] Chemical Papers 73:555–563, 2019